Mittwoch, 5. November 2014

Kindergarten in Bali - Amed, Seraya

Bei meinem Besuch in Amed Scuba hatte ich mehrmals die Gelegenheit mit Made Putu den Kindergarten in Seraya Timur zu besuchen, in welchem sie ehrenamtlich arbeitet.
In diesem Post möchte ich gerne meine Erfahrungen hierzu schildern.
Der Kindergarten wurde vor rund 8 Jahren mit Hilfe von Spendengeldern und Sponsoren aufgebaut, um den Kinder aus armen Familien eine Bildungschance zu ermöglichen und ihnen abseits der Strasse einen sicheren Ort zum Spielen zu geben. Er ist etwa 30 Minuten Motorradfahrt von Amed entfernt und befindet sich auf einem Hügel in einem kleinen Gebäude mit zwei abgetrennten Räumen. Es gibt zwei grosse Tische, an denen jeweils etwa 15 Kinder sitzen. Im Gebäude gibt es keinen Strom, dank den Fenstern an der Wand strömt aber tagsüber trotzdem genügend Licht hinein. Das Dach ist strohgedeckt, der Boden ist aus schmutzigem Beton. Das Schulzimmer ist mit Papiergirlanden und Zeichnungen der Kinder dekoriert. Ansonsten hat es kein Inventar wie beispielsweise Spielsachen, welche in westlichen Kindergärten nicht wegzudenken sind.
Das Schulzimmer
Die Kinder, die den Kindergarten besuchen, sind zwischen drei und fünf Jahren alt und stammen aus Balis ärmsten Familien. Die Eltern dieser Kinder arbeiten entweder als Fischer oder Bauern. Viele der Kinder sind schmutzig und tragen abgewetzte Kleidung. Es arbeiten drei ehrenamtliche Kindergärtnerinnen gleichzeitig: Made Putu, Wayan Yunik und Kadek Anggreni.  Als wir ankommen, sitzen die Kinder bereits unruhig an ihren Tischen. Jedes Kind besitzt einen Rucksack mit einem Notizheft und ein paar Stiften. Es hat bedeutend mehr Jungs als Mädchen in der Klasse.
Made Putu, Wayan Yunik und Kadek Anggreni
Warten auf die Opfergabe
Als erstes werden die Kinder draussen in 3 Reihen platziert und eine der Kindergärtnerinnen bringt die Opfergabe zum hinduistischen Schrein. Danach geht’s zurück ins Zimmer und es werden verschiedene Lieder gesungen (oder geschrien, je nach Auffassung) Nachdem das Repertoire an Liedern ausgeschöpft ist, erklärt Made Putu an der Tafel etwas zum Buchstaben „A“ am Beispiel eines Apfels.


Made Putu erklärt


Danach werden Arbeitsblätter verteilt, auf denen paar Mal der Buchstabe „A“ geschrieben ist und die nun von den Schülern vervollständigt werden sollen. Die Arbeitsblätter sind jedoch keine Kopien, sondern werden von den Lehrerinnen jeweils einzeln gezeichnet. Die Kinder machen sich sofort an die Arbeit und im Minutentakt rufen sie „Ibu, Ibu“, was Lehrer heisst, und buhlen so um die Aufmerksamkeit der Kindergärtnerinnen, um ihnen ihre Arbeit zu zeigen. Die Kindergärtnerinnen machen die Runde und helfen wo nötig. Die älteren Kinder können die Aufgabe meistens problemlos meistern, während die Jüngsten nur konzentriert auf das Blatt kribbeln, was für Dreijährige auch nicht weiter verwunderlich ist. Nachdem die meisten das Blatt vollgeschrieben haben, werfen die Lehrerinnen einen kurzen Blick drauf, und je nach dem, wie gut und selbstständig die Aufgabe gemacht wurde, werden sie mit einem oder zwei Sternen gekennzeichnet.

Die fleissigen Mädchen
 Hat einer der älteren Schüler wirklich Probleme mit einer Aufgabe, so muss er diese als Hausaufgabe auf den nächsten Tag wiederholen. Nach der Korrektur kriegt jedes Kind eine (wieder handgezeichnete) Vorlage mit einem Apfel drauf, welcher in bestimmten Farben angemalt werden soll. Auffallend bei den Schülern ist, dass die Jungs viel wilder und oftmals weniger konzentriert als die Mädchen daherkommen. Die Mädchen scheinen viel mehr Lernbereitschaft an den Tag zu legen und sind vergleichsweise ruhig. Die Jungs schreien herum, machen Sprüche und tollen so lange im Schulzimmer herum, bis dass die mahnende Stimme der Lehrerinnen sie zurück zum Platz bugsiert. Nachdem alle ihre Zeichnung fertig haben, müssen sie ihre Arme auf dem Pult verschränken und warten, bis dass Made Putu das Frühstück, welches aus einer kleinen Tüte Chips und einem süssen Saft besteht, austeilt. Das Frühstück kostet 1000 Rupien, was nicht einmal 10 Cent entspricht. Putu erklärt mir, dass es aber vorkommen kann, dass manche Eltern nicht einmal das Geld dazu aufbringen können. Nachdem alle ihr Frühstück vor sich haben, falten sie ihre Hände, schliessen die Augen und beten. Sie danken den Göttern für diese Mahlzeit. Ein kleiner Junge betet jeweils vor, die anderen Kinder wiederholen das Gesagte. Putu erzählt mir, dass dieser Junge einmal „Holy Man“ werden wird, und schon jetzt das Vorbeten üben muss.
Nach dem Essen werden die Kinder nach Draussen auf den Spielplatz entlassen.

Der Spielsplatz
Es gibt eine Rutsche, ein Klettergerüst und ein paar Schaukeln. Die Jungs stürzen sich sofort auf die verschiedenen Geräte, während die Mädchen eher gehemmt an die Sachen herangehen. Ein paar der Mädchen setzen sich auch einfach auf den Boden und reden. Als ich die Kinder bitte, sich für ein Foto hinzustellen, tun sie dies voller Freude und als ich ihnen die Fotos nachher auf meiner Kamera zeige, sind sie begeistert und drücken mit ihren dreckigen Fingern auf dem Bildschirm.

Nach etwa 45 Minuten müssen die Kinder zurück ins Zimmer und eine Lehrerin erklärt noch einmal etwas an der Tafel. Danach wird wieder gesungen. Um Zehn Uhr ist die Schule zu Ende und alle schütteln den Lehrerinnen die Hand und führen diese dann an ihre Stirn. Kaum aus der Tür, sind auch schon alle abgezischt.

Mein Senf;
Putu arbeitet wie die beiden anderen Lehrerinnen freiwillig jeden Tag von 7.30 Uhr bis 10.00 Uhr. Kindergärtnerin ist auch in Indonesien ein typischer Frauenberuf, welcher in staatlichen Schulen auch gut bezahlt ist. Jedoch muss man sich seine Stelle an der Schule zuerst erkaufen, was rund 200Millionen Rupien kostet, ein Betrag den sich die meisten Leute nicht leisten können. Es wird also nicht aufgrund der Fachkompetenz der potentiellen Lehrer entschieden, sondern an deren Zahlkraft. Die Hindu-Religion mit ihren zahlreichen Zeremonien ist hier in Bali omnipräsent. Es wird sehr viel Geld in die verschiedenen Zeremonien und Feste gesteckt, und ich habe das Gefühl, dass sich die Leute hier, die sowieso schon finanziell nicht sehr gut gestellt sind, sich damit noch selbst ins Bein schiessen. Geld, welches man für die Bildung der Kinder einsetzen könnte, wird in zahlreiche Religiöse Feste gesteckt. So kommt es auch vor, dass an einem Tag wegen einem Tempelfest nur fünf von sonst über dreissig Kinder erscheinen.
Den Kindergarten finde ich eine sehr gute Sache, denn Bildung ist der Weg aus der Armut. Wenn aber Religiöse Feste die Kinder von der Schule abhalten und die Schulden der Eltern, die sie sich wegen Zeremonien aufhalsen mussten, die Kinder daran hindern, zur Schule zu gehen, so funktioniert das System natürlich nicht. Dass es viel mehr Jungs als Mädchen im Kindergarten hat, kommt nicht von ungefähr. Wenn eine Familie mehrere Kinder hat, und das Geld nicht ausreicht, um allen Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, so bleibt den Mädchen oft die Schule verwehrt. Dies liegt daran, dass die Mädchen nach der Heirat ab sofort der Familie des Mannes angehören. Wenn man also die Wahl hat, so ist es finanziell klüger, die Jungs zur Schule zu schicken, sodass das Geld, welches sie nach der Ausbildung verdienen werden, auch in der Familie bleibt. Die ganze Bildungsproblematik fängt also schon bei der schlechten Stellung der Frau an.
Was ich an diesem Kindergarten konkret aufgefallen ist, ist das trotz des jungen Alters der Kinder, schon relativ viel Stoff durchgenommen wird, welcher man eigentlich erst ab der ersten Klasse lernt. Ich weiss nicht, wie viel die Kinder davon wirklich profitieren können, vor allem da kein Lernplan und keine Lehrbücher vorhanden sind. Jedoch erklärte mir Putu, dass wenn die Kinder im Kindergarten nichts lernen, sondern nur singen und spielen, die Eltern keinen Grund sehen, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken. Wie viel die einzelnen Kinder von der Schule profitieren können hängt auch vom Einsatz der Eltern ab. Verweigern sie den Kindern Unterstützung bei den Hausaufgaben, oder ermutigen sie sie nicht, zu lernen, so ist es für das Kind ein viel grösseres Hindernis. Auffallend ist ebenfalls, dass man nie irgendwelche Spiele in der Gruppe macht, sondern entweder die Aufgaben in Einzelarbeit oder halt draussen spielen. Ich bin mir sicher, dass der Kindergarten eine gute Sache ist, der den Kindern Abwechslung verschafft und die Gelegenheit gibt, etwas zu lernen. Doch die ganze Bildungsproblematik reicht viel tiefer und fordert erst mal ein Umdenken in den Köpfen der Menschen.

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